360-Grad-Kameras: In alle Richtungen offen
Filmen und fotografieren in alle Richtungen gleichzeitig: 360-Grad-Kameras sind zur anstehenden photokina, die vom 20. bis 25. September in Köln ihre Tore öffnet, ein brandheißes Thema. Der Trend war schon seit letztem Jahr zu erkennen, nun steht der vielversprechende Markt vor dem Durchbruch. Besonders agil sind Startups in dem Bereich – aber auch „alteingesessene“ Kamera- und Consumer-Elektronik-Hersteller steigen ein. So drängen etwa Branchenriesen wie Samsung mit der kugeligen „Gear 360“ auf den Markt. Nikon lancierte mit der „KeyMission 360“ eine in schwarzen, kantigen Military-Look gehüllte 360-Grad-Kamera. LG hat die eher griffige „360 Cam“ für Einsteiger am Start. Die Traditionsmarke Kodak will mit der „Pixpro SP360“ punkten. Ein anderes Brand aus der klassischen Kamera-Ecke avancierte 2016 gar zum Verkaufslisten-Spitzenreiter: Die „Theta S“ von Ricoh mit ihren zwei im Gehäuse gegenüberliegenden Linsen – nicht alle Konkurrenzmodelle bieten das – läuft prächtig im Handel.
Startups treiben Innovationen
Die Innovationen im 360-Grad-Kamera-Markt gehen allerdings stark von den Startups, jungen Entrepreneuren und kleinen Laboren überall auf dem Globus aus. Kleine Firmen mit kurzen Entscheidungswegen tun sich offenbar anhaltend leichter, einfach mal was auszuprobieren – was oft genug zu aufregenden Ergebnissen führt. Diese sind zwar nicht immer sofort im Handel um die Ecke erhältlich liefern jedoch für die ganze Branche wichtige Impulse. Bester Beleg dafür: Auf Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter, Indiegogo & Co. ( Link zum Crowdfundig-Interview hier im „Future-of-Imaging“-Blog) tummeln sich dutzende Startups im 360-Grad-Imaging-Segment.
Alle Rekorde auf Indiegogo knackten die Düsentriebe von Panono in Berlin und lieferten eine hochspezialisierte Rundumkamera mit ganzen 36 Kameramodulen und in der Summe beachtlichen 108 Megapixeln (vgl. unser Interview hier im „Future of Imaging“-Blog). Ursprünglich zum Hochwerfen entwickelt, wird sie inzwischen vor allem von Journalisten und Architekten eingesetzt.
Postproduction war gestern
Giroptic aus dem französischen Lille, ebenfalls mega-erfolgreich in seiner Crowdfunding-Finanzierung, bringt zum nicht ungewöhnlichen Preis von knapp 500 Euro eine Rundumkamera mit besonders benutzerfreundlicher Ausstattung – der junge Hersteller wirbt damit, dass keinerlei Nachbearbeitung oder Postproduction mehr nötig sei, weil das Gerät bereits eine vollständig verarbeitete 360-Grad-Ansicht ausgibt.
Die kanadische Bublcam war vor zwei Jahren eine der ersten Rundumkameras. Ihre vier Linsen liefern ein mäßig gut aufgelöstes Bild mit maximal 1.440 mal 1.440 Pixeln. Die Bedienung ist allerdings beispielhaft simpel.
Speziell an die Action- und Sport-Gemeinde wendet sich die „V. 360“ vom Startup VSN aus dem Ferienparadies Fort Lauderdale, Florida – eine besonders robuste, da wasserfeste und stoßgeschützte Rundumkamera, die dafür aber keine hohe Auflösung hat und eher durch ihre ungewöhnliche Gehäuseform auffällt.
Smartphones mit integrierter 360-Grad-Kamera
Ebenfalls aus Florida stammt die Vyu360 vom gleichnamigen Startup mit Sitz in Miami: Hier liegt die Besonderheit in der Reduzierung. Die Kamera ist einfach ein Aufsatz für handelsübliche Smartphones, der aus dem Taschentelefon eine Rundumsicht-Kamera macht. Entsprechend günstig soll das Endprodukt zu haben sein, der Hersteller spricht von unter 100 Euro.
Das US-Startup Yezz hat mit dem „Sfera“ gar ein Smartphone mit integrierter 360-Grad-Kamera entwickelt. Über eine Panorama-Linse verfügt das rund 300 Dollar teure Gerät allerdings nicht – dafür gibt es zwei Kameras und eine eigens entwickelte Software, die deren Bild in ein 360-Grad-Panorama umwandelt.
360-Grad-Startups erobern B2B – und den Weltraum
An professionelle Immobilien- und Architekturkunden wendet sich die neue Firma Tesseract aus dem indischen Mumbai mit „Methane 360“ – ähnlich wie die Berliner Panono. Die 360-Grad-Kamera schießt vollständige Bilder und Videos von Gebäuden und Innendesigns ohne aufwändigen Nachbearbeitungsbedarf und ist zunächst für den asiatischen Markt gedacht.
Im Gegensatz zu den eher irdischen Anwendungen der anderen Kugelsichtkameras will das Startup SpaceVR seine „Overview One“ zunächst an einen einzigen Kunden verkaufen – und das Gerät anschließend ins Weltall schießen. Die Kamera soll nach der Vorstellung ihrer Schöpfer auf der Internationalen Raumstation ISS montiert werden und von dort aus perfekte Rundumbilder auf die Erde senden.
Allen 360-Grad-Kameras gemeinsam ist die innige Verknüpfung mit der boomenden VR-Brillen-Technik: Auf einer 3D-Brille sieht die Aufnahme aus der 3D-Kamera natürlich besonders gut aus.