FotoTV.
Bootstrapping für die große Freiheit
Man muss sehr überzeugt sein von einer Sache, wenn man sich dafür Geld von der Familie leiht und in eine ungewisse Zukunft startet. So wie Marc Ludwig, der seinen gut bezahlten Job im Marketing eines großen deutschen Telekommunikationsunternehmens in Paris aufgegeben hat, um sich selbstständig zu machen. Mit einem eigenen Online-TV-Kanal zu Fotografie – komplett selbstfinanziert. Diese Gründer-Story ist Teil unserer Serie im neuen „Future of Imaging“-Blog des Photoindustrie-Verbandes (PIV).
Bootstrapping nennt man die Selbstfinanzierung im Gründer-Jargon, „aus eigener Kraft machen“ ist die deutsche Übersetzung. Und das heißt: Starten ohne Anschub von Banken, Investoren oder Business Angels, aber mit einem Traum vor Augen, den viele träumen.
Mit seiner Plattform „FotoTV.“ hat sich der fotobegeisterte Kölner und Dr. der BWL diesen Traum erfüllt. Er wollte frei sein, eigene Entscheidungen treffen, nicht länger in ernüchternden Konzernstrukturen kleben – und hat dafür sein Leben umgekrempelt. Mit Erfolg: FotoTV. macht heute sechsstelligen Umsatz, beschäftigt acht Angestellte und hat ein ganzes Netzwerk von freien Mitarbeitern.
Eigene Entscheidungen treffen
Für den FotoTV.-Kanal im Web, der mit Erklär-Videos Tipps und Kniffe zu Foto-Technik, Fotografie, Bildbearbeitung und Marketing verrät, hat Marc mit seinem Team seit der Gründung, mehr als 3.000 Filme gedreht und online gestellt. Geklickt werden diese insbesondere von Fotografen mit hohem Amateur- und unterem Profi-Level und Leuten, die einfach Spaß an der Fotografie haben.
Zwei Drittel der Einnahmen generiert FotoTV. über die Online-Plattform, die als Abo-Modell funktioniert. Der Rest wird über andere Geschäftsbereiche erwirtschaftet – mit Image- und Event-Filmen, Foto-Events, einem Foto-Booth-Verleih für Kunden wie etwa Warner Bros. oder Pixxum, Live-Events zum Beispiel auf der photokina oder über das Management von Künstlern und Fotografen.
Immer wieder neu erfinden
„Wir sind ein klassisches Startup, mussten uns immer wieder neu erfinden und haben verschiedene Standbeine“, sagt der 45-jährige Gründer. „Das war am Anfang ganz anders geplant.“
Es fing damit an, dass Marc schon immer gerne fotografierte, Fotografen bei der Arbeit zuschaute und ausgiebig Foto-Magazine mit Tipps und Praxis-Teilen durchblätterte, wenn er wie so häufig unterwegs war. Und da realisierte der Foto-Fan, dass er so etwas auch online wollte. In Videoformat, zu all den Themen, die ihn seit langem fesselten.
Eine zündende Idee reicht nicht
Vielleicht aber muss man schon als Kind von Großem träumen und weit hinaus wollen, um einer zu sein, der den Startup-Sprung dann tatsächlich wagt. Marc hat mit vier Jahren sein erstes Foto geschossen, als er im dänischen Kinderfreizeitpark Legoland mit einer kleinen Rollei vor einer gewaltigen Rakete stand. Das war die Initialzündung für die Foto-Leidenschaft.
Später war er Fotograf bei der Bundeswehr, bevor er dann als „Marketeer“ einen anderen beruflichen Weg einschlug.
Positiver Druck: Familienerbe als Startkapital
Bis zu dem Tag, an dem er sich seinen Anteil am Familienerbe auszahlen ließ, um FotoTV. zu gründen. „Es ist wichtig, dass man als junges Unternehmen nicht nur eine zündende Idee hat, sondern vor allem sehr viel Augenmaß“, sagt Marc. „Man darf nie auf der Stelle treten und muss das Geschäftsmodell ständig anpassen.“
Marc ist volles Risiko gegangen – und hat es nicht bereut. Auch wenn der Druck immer wieder groß ist und er weniger verdient als in Festanstellung. Manches fliegt nicht gleich, da muss man eben nachhaken, sagt er und spricht von „positivem Druck“. Und davon, dass man nicht lange vorausplanen kann.
Die Imagingbranche verändere sich enorm. Beispielsweise lohnt sich das Geschäft mit Foto-Automaten auf Events kaum noch – es gibt mittlerweile zu viele Anbieter. Auch deshalb versteht sich FotoTV. als „ewiges Startup“. „Im Grunde sind wir ja vier oder fünf Startups innerhalb eines Unternehmens“, meint der FotoTV.-Chef.
Große Bühne auf der photokina
Er trifft sich auch immer wieder mit anderen Startups. Auf der „Photo & Adventure“ etwa, wo er mit anderen Gründern über neuartige Tragegurte diskutierte. Auch mit dem Berliner Imaging Startup EyeEm tauscht er sich über Foto-App-Entwicklungen aus.
Auf der photokina war Marc als Aussteller, aber auch mit einer Event-Show auf großer Bühne. Darauf kann man als Startup-Gründer durchaus stolz sein. Auch auf mehrere tausend Fans bei Social Networks. Und trotzdem hat der Gründer nie den Boden unter den Füßen verloren, als er sich so aufmachte ins Foto-Universum und seine Plattform zum nach eigenen Angaben „weltweit größten Fotoinfo-Service“ ausbaute.
Dieses Jahr ist er auf der photokina vier Tage lang in der „Motion“-Halle und auf der „Community“-Bühne. Und freut sich besonders auf die FUTUREZONE, die Imaging Startups zum ersten Mal in einem Bereich auf dem weltgrößten Branchen-Event zusammenbringt.
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Links:
https://www.fototv.de/
http://photoadventure.eu/
https://www.eyeem.com/